Modellhafte ökologische Sanierung eines ehemaligen Schulspeisungsgebäudes

Modellhafte ökologische Sanierung eines ehemaligen Schulspeisungsgebäudes

Daten
Standort:Buschallee 87, Berlin
Baubeginn:Juli 1996
Fertigstellung:Oktober 1998
Nutzfläche:564 m²
  • modellhafte ökologische Sanierung eines Typenbaus (Fresswürfel) 
  • Erprobung von mineralischer Hohlraumdämmung aus Schaumzement
  • Akustikputz auf Basis von Celluloseflocken
  • Wärmeschutzverglasung mit k = 1,3 W/m²K in Holzfenstern
  • Oberlichtband zur Verbesserung der Belichtung und Lüftung
  • Optimale Nutzung des natürlichen Lichtes
  • experimentelle aquatische Raumklimatisierung
  • Verwendung halogenfrei isolierter Kabel
  • Regenwassernutzung
Baubeschreibung

Bestand

In den Neubaugebieten der östlichen Bundesländer wurden für die Schulen sog. Schulspeisungsgebäude errichtet, welche als freistehende Baukörper in Typenbauweise konstruiert sind. Allein in Berlin wurden 26 dieser 'Fresswürfel' gebaut, als eingeschossige Typenbauten mit einer Tragkonstruktion aus geschweissten Stahlprofilen, einem vorgefertigten Beton-Faltdach und aussteifenden Mauerwerkswänden.
Nach der Wiedervereinigung entfiel die ursprüngliche Funktion aufgrund der Vereinheitlichung der Schulsysteme. Die Einrichtungen wurden geschlossen und waren oft dem Vandalismus preisgegeben. Einige dieser Gebäude sind mittlerweile umgebaut und wurden als Freizeiteinrichtungen vorwiegend für Jugendliche eingerichtet. So auch das Gebäude in der Buschallee 87 in Berlin-Weissensee.
Die Tanzwerkstatt 'No Limit' e.V. erhielt 1995 vom Bezirksamt Weissensee einen langjährigen Nutzungsvertrag für das Gebäude. Ziel des nunmehr seit 10 Jahren bestehenden gemeinnützigen Vereins ist die Schaffung einer kommunalen Begegnungsstätte. Die Tanzwerkstatt betreut über vielfältige Freizeitangebote mit Schwerpunkt Tanz, Theater, Musik derzeit etwa 350 Kinder und Jugendliche. 

Konzept

Das Umbaukonzept basiert auf einem Gutachten der Architekten für die modellhafte ökologische Modernisierung und Umnutzung für diesen Bautypus. Das Konzept beruht auf der Einfachheit und Klarheit unter Vermeidung komplizierter Techniken.
Im Zuge der Erneuerung wurden die Fassaden durch Rhythmisierung, d.h. dem Wechsel von offenen und geschlossenen Flächen, neu gestaltet und thermisch optimiert.
Zur Verbesserung der Tageslichtbeleuchtung wurde in der Gebäudemitte ein Oberlichtband eingesetzt. Es dient auch der Lüftung und Entrauchung, wodurch die aufwendigere Erneuerung der vorhandenen Lüftungsanlage vermieden werden konnte.
Ein Teil der nichttragenden Innenwände, vor allem im Bereich der ehemaligen Küche, wurden abgebrochen, die Nebenräume entsprechend den Nutzungsanforderungen neu organisiert. Leichte Trennwände erfüllen hierfür am Besten die aus der Nutzung resultierenden Schallschutzanforderungen und bieten eine gute Rückbaumöglichkeit für spätere Nutzungsveränderungen.
Die WC-Räume neben dem Haupteingang blieben erhalten, wurden aber mit wassersparenden Objekten und Armaturen neu ausgestattet. Im Gebäudeinnern wurde eine Teeküche installiert.
Die Faltdachkonstruktion stellt abdichtungstechnisch und konstruktiv die eigentliche Schwachstelle dieses Gebäudetypus dar.
Das Konzept sieht deshalb vor, das Gebäude mit einer unabhängigen Membrankonstruktion so zu überspannen, dass das Dach unter starker Verminderung thermischer Einflüsse dauerhaft vor Witterungseinflüssen geschützt wird und Schnee die Konstruktion nicht mehr belasten kann.
Dieser Teil des Projekts konnte bisher mangels Finanzierung noch nicht realisiert werden, obwohl nachgewiesen werden konnte, dass die Membrankonstruktion gegenüber einer kompletten Dachsanierung günstiger ist, mit dem Vorteil einer höheren Lebensdauer.
Grosse Aufmerksamkeit wurde der Raumakustik gewidmet, denn nur mit entsprechenden Massnahmen kann die unerträglich grosse Nachhallzeit vermindert und so eine hohe Aufenthaltsqualität erreicht werden. Die Raumakustik ist ein Aspekt, der bei vergleichbaren Einrichtungen leider keine Beachtung fand.

Konstruktion

Als Wärmedämmung wird im Sinne des Modellcharakters des Bauvorhabens ein neues Dämmsystem erprobt. Im Wandbereich wurde eine mineralische Hohlraumdämmung aus Schaumzement (Air-Krete - ein nicht brennbarer Ortschaum) mit einer Minimalstärke von 140 mm eingesetzt. Der Hohlraum wurde als Holzkonstruktion mit einer Aussenbekleidung aus Putzträgerplatten (10 mm Bluclad) hergestellt und diese mit einem mineralischen Dünnschichtputz (2-lagig mit Gewebeeinlage) versehen. Diese Konstruktion bleibt diffusionsfähig. Der unebene Altputz und Einbauteile müssen nicht entfernt werden.
Im Sockelbereich wurden 100 mm Schaumglas mit 20 mm mineralischem Sockelputz verwendet.
Zur Wirksamkeit dieser Konstrukrion wurde im Vergleich mit zwei identischen, bereits sanierten Gebäuden in Prenzlauer Berg und Köpenick eine Untersuchung durchgeführt (Wärmebedarfsberechnungen, Thermografien, Wärmeverbräche).

Das Dach ist mit 10 cm dicken Polystyrolplatten auch nach heutigen Gesichtspunkten relativ gut gedämmt, jedoch abdichtungstechnisch problematisch. Undichtigkeiten sind langfristig ein kaum vermeidbares Problem. Die Konstruktion aus nur 5 cm dünnen Betonplatten, bei Spannweiten von bis zu 9 Metern, stellt die eigentliche konstruktive Schwachstelle dieses Gebäudetypus dar. Aus finanziellen Gründen (s.o.) wurde es jedoch nicht komplett saniert, sondern nur die Abdichtung erneuert.

Die alten Fenster wurden komplett erneuert und durch Holzfenster mit einem hohen Festverglasungsanteil und einer Wärmeschutzverglasung (k = 1,3 W/m²K) ersetzt. Der Anschluss der Rahmen an das Bauwerk erfolgte mit einem durch die aussen aufgesetzte Wärmedämmung gebildeten Anschlag. Zusätzlich wurden Innen-Rolläden eingebaut, die weniger dem Wärmeschutz ausserhalb der Nutzungszeiten als vielmehr dem Sicht-, Einbruch- und Vandalismus-Schutz dienen.

Die verbleibenden Innenwände wurden zum Teil mit Putz versehen bzw. weiss gestrichen. Als leichte Trennwände wurden mit je zwei Lagen Gipsfaserplatten beplankte Metallständerwände mit einer Hohlraumfüllung aus Baumwollmatten (Isocotton) eingesetzt.

Zur notwendigen Verbesserung des Schallschutzes in den Hauptnutzräumen ist im Deckenbereich ein schallschluckendes Material aufgesprüht. Es handelt sich dabei um eine mineralfaserfreie leichte Beschichtung auf der Basis von Celluloseflocken (SonaSpray K 13 - FC (B 1), ca. 2 kg/m² (des amerikanischen Herstellers Asona).
Schallmessungen am ausgeführten Objekt, und zum Vergleich im baugleichen Gebäude in der Thomas-Mann-Strasse, ergeben für die Nutzung ideale Nachhallzeiten von unter 2 Sekunden (gegenüber 4 Sekunden ohne Akustikputz). Der Akustikputz wirkt gleichzeitig als zusätzliche Wärmedämmung.

Haustechnik

Die gesamte vorhandene Gebäudetechnik musste erneuert werden. Sie entsprach nicht mehr den heutigen Anforderungen und war durch Leerstand und Vandalismus nicht mehr funktionsfähig.
Die Beheizung erfolgt über die Reaktivierung der vorhandenen Nahwärmeleitung vom benachbarten Schulgebäude aus (Fernwärmeanschluss). Es mußten neue Heizkörper installiert werden.
Die vorhandene Lüftungsanlage wird nicht mehr benötigt (s.o.). Zur Verbesserung der Luftqualität wurde als experimenteller Teil im grossen Raum eine "aquatische Raumklimatisierung" installiert. Ziel dabei ist, über eine berieselte schräge Fläche eine möglichst konstante Luftfeuchtigkeit zu erreichen sowie durch versprühtes bzw. frei fallendes Wasser die Atemluft mit negativen Sauerstoffionen anzureichern. Diese Anlage wird mit Trinkwasser betrieben, der Abfluss erfolgt in die vor dem Gebäude installierte Zisterne (gleichzeitig Trinkwassernachspeisung).
Das von der Dachfläche abfliessende Regenwasser wird in einer auf der Südseite unterirdisch verlegten Zisterne gesammelt und über eine Druckerhöhung (Pumpe) für die Toilettenspülung und Bewässerung der zum Gebäude gehörenden Grünfläche weiterverwendet; der Überlauf wird über eine Kiesrigole versickert.

Die Erneuerung der elektrischen Installation erfolgte mit halogenfrei isolierten Produkten. Für die künstliche Beleuchtung werden Spiegelrasterleuchten mit elektronischen Vorschaltgeräten eingebaut. Die Effektbeleuchtung im Eingangsbereich und in den Fluren (abgehängte Decken) erfolgt mit Einbau-Niedervoltlampen. 

Fassade

Was das Gebäude in der jetzigen Form aus der Umgebung hervorhebt, ist die künstlerische Gestaltung der Fassaden, entworfen und ausgeführt von Thomas Weil. Seine geometrische Ornamentik unterscheidet sich grundlegend von allem in diesem Bereich bisher Bekannten.
Das Ornament aus 50 cm breiten, schwarzen und roten Flächen auf dem weissen Putzgrund umspannt die insgesamt 100 Meter lange Fassade nahtlos. Die Grundgeometrie, aus der das Ornament entwickelt wird, besteht aus Rauten und Quadraten, deren Seiten 22,5 ° von der Horizontalen bzw. Vertikalen abweichen, was bedeutet, dass diese beiden, die Architektur logischerweise dominierenden Linien, im Ornament nur virtuell als Winkelhalbierende existieren.
Die zweite Stärke des Ornaments besteht darin, dass es in einer endlosen Variation ohne Repetition auskommt und deshalb Monotonie als Problem gar nicht existiert.
Der Farbauftrag auf der mineralisch geputzten Wärmedämmfassade erfolgte in Lasurtechnik auf einem weissen mineralischen Anstrich (Silikatfarbe von KEIM). Erdschwarz und Oxidrot sind im Verhältnis von ca. 1:10 verdünnt und mit dem Lasurpinsel unter Zuhilfenahme von einfachen Schablonen auf die mit Bleistift vorgezeichnete Fassade aufgemalt. Zur Variation der Geometrie kommt zusätzlich die Lebendigkeit der Farbflächen selbst, da die Lasurtechnik eine Nuancierung bedingt.
Das Ornament soll auch verhindern, dass die Fassadenflächen mit Graffiti besprüht werden. In den Wochen vor der Bemalung wurde die weiss geputzte Wand bereits mit einigen Graffiti 'verziert', seit der Ausführung des Ornaments ist ein einziges neu dazugekommen. Offensichtlich erreicht dieses Gestaltungskonzept das Ziel, durch die dem Ornament immanente Kraft Sprayer von ihrem Tun abzuhalten. Hoffentlich bleibt das auch in Zukunft so! 

Finanzierung

Die Finanzierung erfolgte durch den Verein, über Spendengelder, Sponsoren und die Aktivierung von Ausbildungswerkstätten.
Zusätzlich wurde dieses Bauvorhaben aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionalentwicklung (EFRE) sowie der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie unter dem Förderzeichen B 5048 URBAN gefördert.
Die Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr ist mit einer zusätzlichen Förderung beteiligt (experimenteller Teil der Fassadendämmung und vergleichende Untersuchung dazu).